Warum wird man eigentlich – Heim- und Pensionstierpfleger?

Die Antwort liegt auf der Hand: Weil wir die Arbeit mit Tieren lieben.
Wir beginnen unsere dreijährige Ausbildung, häufig mit der Ansicht, dass Tiere einfach die „besseren Menschen“ sind, dass wir ohne Tiere nicht leben könnten und dass ein Leben ohne Tiere ohnehin ja völlig sinnlos wäre.

Im Laufe unserer Ausbildung stellen wir dann fest: Haustiere sind von Menschen ebenso abhängig, wie die Menschen von ihren Haustieren. Mit Heimtieren arbeiten ist ein Kreislauf, der nicht ohne Menschen funktionieren kann. Wildtiere können gut ohne Menschen existieren. Haustiere nicht.

Wir erleben in unserem Arbeitsalltag so viele Menschen mit so vielen Geschichten, dass wir, je länger wir in unserem Beruf sind, Menschen mit all ihren Facetten akzeptieren, ja vielleicht sogar lieben lernen. Heim- und Pensionstierpfleger arbeiten dicht mit Menschen zusammen, eben fast genauso eng, wie mit Haustieren. Wer das nicht aushalten kann, bleibt nicht lange.

Als Heim- und Pensionstierpfleger arbeiten wir in einem gesellschaftlich wichtigen, sozialen Beruf, man ist Dienstleister für Tierhalter aller Gehaltsklassen, Ordnungs- und Veterinärbehörden und stellt schließlich ernüchtert fest: niemand hat wirklich eine Vorstellung davon, was wir eigentlich tun. Und: niemand fühlt sich verantwortlich für uns Heim- und Pensionstierpfleger. Wir sind unsichtbar, naja, zumindest oft durchsichtig.

Tierpfleger kann jeder sein!

„Du bist Tierpflegerin? Wo denn, im Zoo?“ Nein. Wir sind Heim- und Pensionstierpfleger, wir arbeiten im Tierheimen und in Tierpensionen. Klingt ja danach, wäre auch logisch, könnte man also denken – ist nur leider keine Selbstverständlichkeit.

Warum? Weil es niemanden gibt, der darauf achtet, dass in Tierheimen und Tierpensionen auch Heim- und Pensionstierpfleger arbeiten. Es gibt keine Institution, die sich dafür interessiert oder darauf achtet, ob Haustiere auch von Fachpersonal sachkundig versorgt werden, wenn sie in Fremdbetreuung sind.

In Tierheimen arbeiten mehr ungelernte Kräfte und Ehrenamtler, als Fachpersonal. In mehr als der Hälfte aller Tierschutzvereine gibt es überhaupt keine Heim- und Pensionstierpfleger/innen. In Tierpensionen ist diese Aussicht noch viel düsterer, jeder, der möchte, kann eine Tierpension eröffnen* – einen Beruf muss dafür niemand haben.

*Natürlich muss für das gewerbliche Betreuen von Hunden (Tieren), oder das Betreiben eines Tierheims eine Genehmigung beim örtlichen Veterinäramt beantragt werden. Die Veterinärbehörden entscheiden je nach Zuständigkeit aber selbst, welche Nachweise sie konkret erwarten, manche Ämter stellen sehr hohe Anforderungen, andere sehr niedrige. Aber keine § 11 Genehmigung eines Veterinäramts ersetzt eine staatliche Ausbildung als Tierpfleger/in, egal, welcher Fachrichtung.

Hundepensionen in ganz Deutschland schreiben auf ihren Internetseiten ungeniert, sie würden Fachpersonal beschäftigen. Sie würden „fachlich fundiert“ arbeiten. Der Markt bietet unzählige Fortbildungsmöglichkeiten für Hundehalter und Trainer, aber all das hat mit sachkundiger Tierpflege überhaupt nichts zu tun.

Dachverbände von Tierheimen haben zwar Vorschriften und Vorschläge, aber es findet sich kein Dachverband, der Wert darauf legt, dass in den eigenen Tierheimen ausschließlich, oder zumindest in Überzahl Fachpersonal arbeitet.

Das wäre nämlich teuer!

Heim- und Pensionstierpfleger kosten einfach viel zu viel. Diesen Vorwurf können wir uns unser ganzes Berufsleben über anhören. Gehaltserhöhung? Kennen wir nicht.

Weihnachtsgeld? Tankgutscheine? Betriebszugehörigkeit? Kennen wir auch nicht. Heim- und Pensionstierpflegerinnen und Tierpfleger arbeiten trotzdem emsig weiter, denn: die Tiere brauchen uns ja. Was machen die Tiere nur ohne uns?

Aber, wir werden irgendwann älter. Und im Tierschutz leiden wir unter unserer Sisyphos-Aufgabe, wir brennen erst hell wie eine Fackel, hoch motiviert, auf in den Kampf gegen das allgegenwärtige Leid, Leben verbessern und so… aber nach dem Brennen kommt meist das Ausbrennen.

Nicht nur in Tierheimen, auch in Tierpensionen erhalten wir Tierpfleger, die mehr als 10 Jahre in einem Betrieb jeden Tag locker auch mal 10-12 Stunden arbeiten (Tiere sind wirklich sehr gut in Sachen „Schlechtes Timing“), häufig nur den Mindestlohn. Obwohl wir Fachkräfte sind.

Bezahlte Überstunden kennen wir übrigens auch nicht. Überstunden abfeiern ist schon schwierig, denn inzwischen gibt es kaum eine Tierpension, kaum ein Tierheim, dass nicht völlig überlaufen wäre. So manche Kolleginnen und Kollegen müssen auch noch ihren Urlaub von letztem Jahr mal endlich nehmen…

Corvid-19

Vor der Corona Krise hatten wir schon marode Tierheime, zu wenig Platz für zu viele Tiere, aber seit der Corona Krise wissen wir eigentlich nicht mehr wohin mit den ganzen Tieren. Die Anfragen in Tierheimen haben sich teilweise verdoppelt oder verdreifacht, die Menschen kommen nicht mehr zurecht, mit den Tieren, die leichtfertig angeschafft wurden.

Seit der Corona Krise haben sich die Anfragen in Hundepensionen mancherorts vervierfacht. Gleichzeitig hat die Krise so manch selbstständiges Unternehmen ruiniert, so dass das Angebot nach Betreuung sehr viel höher ist, als die Nachfrage.

Hundepensionen leisten inzwischen auch soziale Dienste: Corona Hunde können nämlich häufig nicht alleine bleiben, das wurde jahrelang nicht trainiert. Plötzlich nimmt Hund die Bude auseinander und bellt sich in Rage, was immer mehr Hundehalter zwingend auf Fremdbetreuung angewiesen macht. Ja, das kann man trainieren, aber das ist ein völlig anderes Thema.

In Tierpensionen, also der freien Marktwirtschaft, gibt es für die Betreiber gar keine Schwierigkeiten, Personal zu finden: Tierfreunde und Tierliebhaber im ganzen Land reissen sich darum, mit Tieren zu arbeiten. Das machen sie auch gerne für kleines Geld.
Und da über 90 % der bestehenden Tierpensionen in Deutschland von Hobbytierhaltern gegründet und geführt werden, gibt es auch von gesetzlicher Seite kein Signal, dass es dem Tierschutz sehr dienlich wäre, Fachpersonal einzustellen.

Im Klartext heißt das: Heim- und Pensionstierpfleger dürfen nicht teurer als ungelernte Kräfte sein, sonst werden sie nicht eingestellt. Das gilt für Tierheime und Pensionen gleichermaßen.

Klartext ist auch: Es gibt Tierheime und auch einen noch kleineren Teil Tierpensionen in Deutschland, da läuft ohne Fachpersonal gar nichts. Es gibt Betriebe, die mit Fachpersonal arbeiten und ergänzend eine kleine Anzahl Tierpflegehelfer eingestellt hat.

Es gibt Betriebe, die die Arbeit von Heim- und Pensionstierpflegern sehr hoch schätzen und sie auch gut bezahlen, wo wir gerne zur Arbeit gehen und diesen verantwortungsvollen Beruf jahrzehntelang ausüben können.

Es wäre wünschenswert, wenn diese Betriebe mit Stolz darauf hinweisen würden, dass sie ein Fachbetrieb sind. Es wäre wünschenswert, wenn Dachverbände diesen herausragenden, freiwilligen Standard öffentlich würdigen würden. Denn es ist unfair, dass einige Tierpensionen und Tierschutzvereine es unabdingbar finden, in eine fachlich fundierte Tierpflege als Grundlage zu investieren und andere nicht.

Weder in der Zootierpflege, noch in der Klinik- und Forschungstierpflege könnte man ohne Fachpersonal arbeiten. Die Betriebe dürften gar nicht laufen. Heimtierhaltende Betriebe haben solche Regelungen nicht. Man möchte ja Geld am falschen Ende sparen.

Das darf und kann nicht so bleiben. Heim- und Pensionstierpfleger/innen garantieren eine sachkundige Tierpflege, auf die zu versorgende Heimtiere (und nicht nur Wild-, Klinik- und Versuchstiere) einen selbstverständlichen Anspruch haben sollten. Auch (werdende) Tierhalter sollten sich blind darauf verlassen können, dass eine Tierpension (oder ein Tierheim) Fachpersonal beschäftigen muss.

Warum sich Fachpersonal lohnt

Gutes Personal ist unersetzbar und meist sehr schwer zu finden. Neben Wertschätzung und Führung brauchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber auch ein Gehalt, von dem sie nicht nur überleben können.

Tierhaltende Betriebe sollten in erster Linie an einen hohen tierpflegerischen Standard denken, denn das ist der Grundpfeiler, auf dem allen steht und von dem das Wohl der Tiere vollumfänglich abhängt.

Tierheime sind deutschlandweit auch deshalb mit verhaltenauffälligen Hunden derart überfordert, weil kein Fachpersonal (mehr) da ist, das mit ihnen klar kommt. Hundepfleger/innen arbeiten irgendwann nicht mehr für den Mindestlohn, wenn sie jeden Tag ihre Knochen riskieren. Katzenpfleger pflegen seit der Coronapandemie 90 – 100 % mehr Katzen im Bestand, im Kleintierbereich sind die Anforderung an das fachliche Know How durch Exotenanschaffung derart hoch, dass es Fachpersonen braucht, die auch für Reptilien, Amphibien und Insekten sorgen können.

Tierheimtiere haben deutschlandweit auch deshalb einen sehr schlechten Ruf, weil die Vermittlungsgespräche und die Einschätzung von Tierheimtieren ohne Fachpersonal in großer Zahl von minderwertiger Qualität ist. Vermittlungstexte werden geschönt und teilweise nicht mal absichtlich, sondern mangels besseren Wissens.

Spenden werden aber nicht für die Tierpflege erbeten, sondern tränenreich und medienwirksam für die vierbeinigen Schützlinge (obwohl sie inzwischen auch häufig 0- oder 8-beinig sind).

Die Situationen in Tierpensionen ist ähnlich desolat, obwohl die finanziellen Mittel da sein müssten. Aber Arbeitgeber/innen sparen hier nicht selten ganz bewusst an gutem Personal, denn wöchentlich gibt es eMails mit Initiativbewerbungen von angehenden Hundetrainerinnen und Trainern, Minijobbern und anderen Quereinsteigern, die um jeden Preis mit Hunden (Tieren) arbeiten möchten.

Das Problem ist einfach beschrieben:
Niemand kann eine Tischlerei betreiben, ohne Tischler/in zu sein. Schon gar nicht ohne Meistertitel.

Aber: jeder kann im Grunde Tierpfleger sein. Auslandshunde importieren*. Ein Tierheim aufmachen*. Oder eine Katzenpension*. Und ernennt sich so in Eigenregie zum Fachmann oder zur Fachfrau.

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